„Das Ausmaß der psychischen Störungen innerhalb einer jeden Gesellschaft über einen gewissen Zeitraum hinweg kann mit keinem erdenklichen Mittel reduziert werden, solange die Gesellschaft insgesamt sich nicht ändert. Mehr Ärzte, mehr Psychologen, mehr Therapien – das macht alles keinen Unterschied. Man kann zwar das Individuum möglicherweise therapieren, aber unter bestimmten Bedingungen zu bestimmten Zeiten der Geschichte, zu der die unsere gehört, wächst für jeden therapierten Menschen sofort ein anderer Patient mit analogen Symptomen auf, so daß die totale Anzahl der an bestimmten psychosexuellen oder anderen Störungen Leidenden relativ konstant bleibt. Dafür gibt es eindeutige Beweise.“

(Der Publizist, Filmemacher, Musikkritiker und Sexualwissenschaftler Ernest Bornemann, ehemaliger Leiter der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung – Zeit Online, 22. März 1985)

„Das Geheimnis des Lebens ist kein Problem, das gelöst werden kann, sondern eine Realität, die erfahren werden muss“

Alan Watts (1915 – 1973) englischer Religionsphilosoph

 

Wenn wir heute Nachrichten hören oder uns im Internet umschauen nach Themen, die uns besonders in der aktuellen Diskussion sehr beschäftigen, stoßen wir immer wieder auf die gleichen Schlagworte wie etwa Krieg, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Klimawandel, Angst vor Demokratieverlust und ähnlichem.

Wir könnten wütend werden, traurig oder sogar verzweifelt depressiv.

Zum dritten Mal jährt sich nun Andros Todestag und ist gerade für mich ganz gegenwärtig, fühle ich mich mit Andros Vision insbesondere zu diesen Themen sehr verbunden und möchte seine Sichtweise in Erinnerung bringen.

Er begegnete all den weltpolitischen Thematiken mit einem wachen, politischen und gesellschaftspolitischen Bewusstsein und gleichzeitig mit der Devise, das Glas sei halb voll und nicht halb leer.

 

Andro war ein praktischer Mensch und liebte Abkürzungen. Für ihn war Tantra ein wirksamerer Weg, als beispielsweise Jahrzehnte lang in psychoanalytischen Sitzungen abzuhängen, wenn es darum ging, persönliche Thematiken im Leben zu bearbeiten.

Seine vom linkshändigen Weg des traditionellen Tantra sehr stark geprägte Lebensphilosophie beinhaltete seine These… aller Krieg, all unsere Wut und Zerstörungssucht mit dem daraus entstehenden unermesslichen Leid auf dieser Welt, rührt daher, dass die Menschheit an Liebeskummer leidet.

Er sah es als seine Aufgabe an, die Sexualität, welche durch strenge, prüde Kriegerkulturen ihrer Heiligkeit und ihrer seelischen und körperlichen Heilkraft beraubt wurde, wieder vollständig zu rehabilitieren.

Der sexuelle Höhenflug war für Andro das zentrale Werkzeug, um uns aus unseren depressiven oder auch egoistischen Lebenshaltungen heraus zu befreien, worin ihn die moderne Neurowissenschaft in allen Punkten durch unzählige wissenschaftliche Studienergebnisse recht gibt.

 

Weit seiner Zeit voraus, lebte er Beziehungen zu dritt, in dem Wissen, daß wir Menschen alle miteinander in Liebe verbunden sind. Dieses Wissen ist für die meisten Menschen durch einen Schleier von generationsübergreifend anerzogenen, unbewussten Denkgewohnheiten nicht mehr wahrnehmbar. Andros Wirken und Anliegen war es, Menschen dabei zu unterstützen, sich aus diesen alten Überzeugungen heraus zu befreien.

In seinem privaten Alltag folgte er seinen eigenen Prinzipien, in dem er seinen intimsten Lebenspartnern sexuelle Freiheiten gewährte und sie immer wieder dazu zu ermutigte, so viele Menschen wie nur möglich in der blühenden Fülle ihrer Herzen zu lieben.

Für Andro war sexueller Genuss mehr als Vergnügen… Die Botschaft des roten Tantra hat er immer wieder geduldig vertreten, in seinem Privatleben wie in seinem Berufsleben als Tantralehrer, Masseur und tantrischer Sexualtherapeut. Er trat mutig in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der Öffentlichkeit, oft humorvoll und manchmal sehr provokant, für diese seine These ein.

 

Laut der traditionellen Lehre des hinduistischen und buddhistischen roten Tantra, dessen Grundlagen von Andro in seinen Ausbildungen, Seminaren und Therapien mit lebendigen und klugen Ansätzen gelehrt und diskutiert wurden, bringt uns eine intensiv erlebte, von Wert- und Vorurteilen, von starren Rollenbildern und antrainierten Lieb- und Lustlosigkeiten befreite Sexualität in einen tief empfundenen Herzensrausch.

Dieser emotional hochsensible Zustand unseres Gehirns und unseres Körpers transformiert unsere Persönlichkeitsstruktur, wenn wir uns erlauben, ihn regelmässig zu erleben, auf emotionaler und intellektueller Ebene so stark und so nachhaltig wie möglich. Im Empfinden tiefer Herzoffenheit sind Lebensfreude, Neugier, Mitgefühl und Klarheit die wesentlichen Antriebskräfte für unser Denken und Handeln. Ebendiese Kunst trotz scheinbar widrigen Alltags oder belastender Beziehungsstrukturen so oft es nur geht zu üben, dazu lud Andro immer wieder inspiriert und humorvoll ein.

Eine sexuell erwachte Menschheit war für Andro der Garant für eine Kultur, die darauf achtet, dass Mutter Erde, „Pacha Mama“, wie unser wunderschöner blauer Planet etwa von indigenen Völkern Mittel- und Südamerikas genannt wird, als unsere Lebensgrundlage niemals zerstört wird und alle Menschen einander mit Respekt, Liebe und Klarheit begegnen, auf der persönlichen, der wirtschaftlichen, religiösen und der politischen Ebene.

 

Andros humanistische und buddhistische Lebenshaltung hat eine Kultur des Vergebens sowohl bei uns in der Gemeinschaft als auch bei seinen Lesern und Zuhörern in der Öffentlichkeit, etwa in seinen eigenen Büchern, im Fernsehen und Radio, im Internet und in Zeitungen und Zeitschriften nachhaltig inspiriert.

In weit mehr als 30 Jahren durfte ich Zeuge davon sein, wie liebevoll er Kinder in ihrer Selbstständigkeit und Freiheit, in der Entfaltung ihres liebenden und denkenden Potenzials unterstützte und Erwachsene darin förderte wache und liebende Individuen zu werden.

Ich durfte Zeuge davon sein, wie fürsorglich sich Andro im Alltag verhielt, aufräumend, putzend, waschend, kochend, reparierend, als Geschäftsführer genauso wie als Bürokraft, als aufmerksamer Gesprächspartner zuhörend wie auch als unvergleichlich spritziger Ratgeber für alle nur erdenklichen Lebenslagen, immer einladend und inspirierend.

Er war Tröster und Ermutiger zugleich, er war sexueller Erwecker genauso wie zärtlicher Umsorger, Beschützer und Versöhner, er war ein schamlos sich versprühender Abenteurer und ein sich verschenkender treuer Hausmann.

All diese scheinbaren Gegensätze im Leben mit einander zu vereinen schien ihm eine der lohnenswertesten Aufgaben, welche es im Leben zu meistern gäbe. Er verehrte mutige und liebende Denkerinnen und Denker, Macherinnen und Macher der Menschheitsgeschichte, hielt jedoch nichts davon, auf einen Sockel gestellt zu werden.

Persönlichkeitskulte waren ihm immer suspekt, glaubte er doch an die Möglichkeit eines jeden Menschen, frei, glücklich und wach sein Leben zu meistern, in fürsorgender Verbundenheit mit Anderen.

Wir, die Antinous Gemeinschaft und das Diamond Lotus Team sind stolz darauf, sein Vermächtnis weiterzuführen und selber immer wieder auf unserem sexuellen Herzensweg dazu zu lernen, um dieser Aufgabe in der Komplexität unserer modernen Zeit gerecht zu werden.